Das kalte Herz – Filmkritik

Filmkritik von Sonja Lex.

„Das kalte Herz“ ist ein deutscher Märchenfilm, der auf dem gleichnamigen Märchen von Wilhelm Hauff beruht. Produziert wurde der 82-minütige Film 2014 für die ZDF-Fernsehreihe „Märchenperlen“ und wird für Kinder ab 8 Jahren empfohlen. In den Hauptrollen spielen Rafael Gareisen (Peter Munk), Laura Louisa Garde (Lisbeth), Tilo Prückner (Glasmännlein) und Thomas Thieme (Holländer-Michel), Regie und Drehbuch: Marc-Andreas Bochert.

Die Handlung spielt im Schwarzwald zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Der junge Peter Munk führt als Kohlenbrenner die Köhlerei seines verstorbenen Vaters weiter. Seine Mutter erzählt ihm einmal von der Sage des „Glasmännleins“, genannt der Schatzhauser, Schutzpatron der Köhler. Er lebt tief im „Tannenbühl“ und erfüllt Sonntagskindern wie ihm drei Wünsche, vorausgesetzt man sagt den Spruch auf: „Schatzhauser im grünen Tannenwald, bist viele hundert Jahre alt, dir gehört all Land, wo Tannen stehn, lässt dich nur Sonntagskindern sehn“. Unzufrieden mit der harten, schmutzigen Köhler-Arbeit und der Perspektivlosigkeit, beschließt er das Glasmännlein aufzusuchen, um zu Ansehen und Reichtum zu gelangen und seine Liebe Lisbeth eines Tages heiraten zu können. Das Glasmännlein erfüllt ihm zwei Wünsche. Peter wird ein angesehener Mann, verliert aber durch geschäftliche Fehler seinen ganzen Besitz wieder. Da er noch einen Wunsch beim Schatzhauser frei hat, bittet er ein drittes Mal um Geld, doch das versagt er ihm. In seiner Not wendet er sich an den unheimlichen Holländer-Michel. Er weiß, dass Peter gekommen ist, weil er Geld braucht, und bietet ihm so viele Gulden, wie er will, wenn er ihm dafür sein Herz überlässt. Peter willigt ein und hat fortan anstelle seines Herzens ein Steinherz in der Brust. Er bezahlt seine Schulden und kann Lisbeth heiraten. Aber er hat kein Mitgefühl mehr: Er beobachtet einmal, wie Lisbeth einem Bettler etwas zu essen gibt und erschlägt sie mit dem Gehstock. Da zeigt der Bettler seine wahre Identität: Es ist der Schatzhauser. Dieser redet ihm ins Gewissen: Er habe seine Seele dem Bösen verkauft. Das gibt Peter zu denken. Er geht abermals zu Schatzhauser in den Wald und bittet ihn, ihm seinen dritten Wunsch zu erfüllen, nämlich das Steinherz gegen sein echtes zu tauschen. Das könne nur der Holländer-Michel, so Schatzhauser, und rät ihm, diesen zu überlisten. Beim Holländer-Michel gibt er vor, ihm die Geschichte mit dem steinernen Herzen nicht geglaubt zu haben. Das kränkt diesen in seiner Eitelkeit und er setzt ihm wieder sein echtes Herz ein. Als er das Herz zurückfordert, behält es Peter und flieht. Er wünscht sich das Leben Lisbeths zurück und Schatzhauser erfüllt ihm diesen dritten Wunsch. Überglücklich versucht er all das Unrecht wiedergutzumachen und bleibt zeitlebens ein angesehener, zufriedener Mensch.

Der Film beginnt mit einer ruhigen Kameraführung (Hermann Dunzendorfer) über den Schwarzwald aus der Vogelperspektive. Der Erzähler (Reiner Schöne) schildert „aus dem Off“ die Sage vom Glasmännlein und vom gefürchteten Waldgeist Holländer-Michel. Die Reiche der beiden Waldgeister sind durch einen Fluss getrennt, den sie beide nicht überqueren können. So wird geschickt die Grenze zwischen Gut (Glasmännlein) und Böse (Holländer-Michel) symbolisiert. Die Regie arbeitet mit plakativen Kontrasten wie hell und dunkel, strahlend und matt, schmutzig und sauber. Das Glasmännlein trägt helle glänzende Kleidung, während der Holländer-Michel eine dunkle Kutte und einen Stock trägt. Peter Munk ist schmutzig-schwarz. Die Herren Ezechiel, Amtmann und Tanzbodenkönig Gustav sind fein gekleidet. Es sind Männer, die exemplarisch Reichtum, aber auch Geiz und Gefühllosigkeit verkörpern. Nicht zuletzt steht das Geld des Holländer-Michel für soziale Kälte und Unmenschlichkeit. Die magischen Ereignisse wie das plötzliche Erscheinen und Verschwinden der Waldgeister, das zwergenhafte Glasmännlein, die Höhle mit den pochenden Herzen eingeschlossen in Kristallgefäße, das Wiederaufleben Lisbeths, sind als Spezialeffekte wirkungsvoll umgesetzt. Die Gewaltszene mit Lisbeth ist abgeschwächt, indem sie in Zeitlupe zu Boden sinkt, so als käme sie sanft und leise zu Tode. Filmausstattung wie Drehorte sind aufwändig von Bühnen- und Kostümbildnern sowie Requisiteuren ausgestattet und Szenenbilder stimmig inszeniert: der Naturalismus der harten Köhler-Arbeit, das Glasbläserhandwerk und die Dorfgemeinschaft im 19. Jahrhundert. Kritisch zu sehen ist der häufige Ausschank von Alkohol, auch an Peter. Sicherlich war das zu der Zeit üblich, ist aber bei einem Film für Kinder ab 8 Jahren verzichtbar. Die Filmmusik (Stefan Maria Schneider) unterlegt mit rhapsodischen Sequenzen wirkungsvoll die unterschiedlichen Szenarien: Die Streicher untermalen das Rauschen durch dunkle Baumwipfel, Holzbläser und Flöten lassen das Glas in der Glashütte erklingen, in der Katakombe des Holländer-Michel pocht das „kalte Herz“ mit Pauken und Bässen. Die Schauspielkunst aller Darsteller:innen ist überzeugend und anspruchsvoll, allen voran Rafael Gareisen, Laura Louisa Garde, Tilo Prückner und Thomas Thieme. 

Grundsätzlich leisten Märchen einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung von Kindern. Sie „übersetzen“ menschliche Lebenssituationen symbolisch in Bilder, sie bieten Held:innen, mit denen sich Kinder identifizieren können, und zeigen Lösungsmöglichkeiten für Konfliktsituationen. Sie vermitteln traditionelle und allgemeingültige Werte. Kinder brauchen klare Verhältnisse und Vorstellungen, damit sie sich orientieren können. Nicht zuletzt deshalb ist die Dichotomie Gut und Böse wichtig, sodass am Ende das Gute siegt. Die Botschaft des Films lautet: ökonomischen Bedingungen sind im Leben sehr bedeutsam. Habgier, Geiz, Missgunst stehen im Gegensatz zu christlichen Werten, wie Nächstenliebe, Tugendhaftigkeit, Ehrlichkeit und Gerechtigkeit. Sie führen zu Unfreiheit und schaden dem Einzelnen und der Gemeinschaft. Zufriedenheit, soziales Miteinander kann man sich durch nichts in der Welt kaufen und sie sind unabdingbar für ein erfülltes und glückliches Leben. Insgesamt ist diese TV-Adaption des Märchens „Das kalte Herz“ gelungen. Manche Szenen wirken etwas veraltet und zu sehr an der Historie der Biedermeierzeit orientiert. Mir stellt sich noch die Frage, wie hilfreich ist der Film für die Gegenwart? Vielleicht hätte der Regisseur der Figur Peter Munk noch eine Idee mitgeben können, in etwa: Am Ende meines Lebens will ich, dass jeder Arbeit hat, seine Familie ernähren kann und dass die Menschen glücklich sind.

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